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Fachwerkbauten –
Lesebücher der Architektur- und Kunst-Geschichte

16. Oktober 2022

von Bettina Berthes

Der folgende Artikel gibt Interessierten von Fachwerkbauten eine kleine Zusammenfassung der Begriffswelten aus architektonischer (Fachwerkkonstruktionen und technische Elemente) und kunstgeschichtlicher (schmückende Elemente und religiöse Symbole) Sicht.

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Rink Seulberg

Fachwerkbauten sind sowohl aus technischer – wie auch aus kultur- und kunstgeschichtlicher Hinsicht interessante Objekte. Aus architektonischer und baumedizinischer Sicht sind Fachwerkkonstruktionen die auf der Zeitskala am bewährtesten Bauobjekte.

Aus kulturgeschichtlicher Sicht sind Fachwerkbauten „Lesebücher der Geschichte“ die etwas über Bauherren, Bauausführende, Wissen, Glaube und Wünsche der Eigentümer und der jeweiligen Zeit aussagen.

Das Land Hessen verfügt über einen großen Bestand gut erhaltener Fachwerkbauten.

Die erste Denkmalschutzverordnung des Großherzogtums Hessen vom Jahre 1818 hatte die systematische Erfassung schützenswerter Kulturdenkmäler zum Ziel.

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1. Wandaufbauarten im Holzbau

Im Holzbau gibt es drei verschiedene Arten des Wandaufbaus: Blockbau, Stabbau und Fachwerk.

1.1    Blockbau
Die Wände im Blockbau bestehen aus runden, halbrunden oder aus vierkantigen Hölzern die horizontal übereinander gelegt werden. Die verschiedenen Entwicklungsschritte sind an den Eckversteifungen z.B. durch Überkreuzung oder durch komplexere Holzverbindungen ersichtlich. Bereits 5200 vor Christus wurden Brunnenschächte aus Eichenbohlen gefertigt. Besonders in Ländern in Nordeuropa und Russland mit großem Waldbestand sind viele Blockbauten anzutreffen.

1.2    Stabbau
Der Stabbau besteht aus nebeneinander angeordneten, senkrechten, in die Erde eingeschlagenen Hölzern. Auch der Stabbau ist materialintensiv und deshalb auch nur in Ländern mit hohem Baumbestand anzutreffen. Beispiele sind die Stabkirchen in Norwegen. Stabbauten benötigen aufgrund der festen Verbindung mit der Erde keine horizontalen Aussteifungen und somit wenig Fachkenntnisse der Bauherren, hatten jedoch den gravierenden Nachteil, dass sie nach 20-30 Jahren aufgrund der aufsteigenden Feuchte abfaulten und neu errichtet werden mussten.

1.3   Fachwerkbau
Fachwerkbauten sind holzsparende Skelettkonstruktionen.

 

 

2. Der Fachwerkskelettbau

Eisen- und Bronzezeit

Zeltbauten – also ein tragendes Skelett mit Zeltwänden aus Rinde oder Leder – waren bereits 12000 vor Christus vorhanden. Schon in der Eisen- und Bronzezeit gab es neben den Stab- und Blockkonstruktionen auch fachwerkähnliche Wandgefüge. Pfahlbauten und Pfostenbauten und später dann Ständerbauten auf einer über das Erdniveau erhabenen Schwelle waren erste Konstruktionsformen. In der Bohlenständerbauweise wurden waagrechte Bohlen in das Wandgefüge eingenutet.

13.-15. Jahrhundert

Die ältesten heute erhaltenen Fachwerke stammen aus dem 13. Jahrhundert (z.B. in Limburg oder Frankfurt-Sachsenhausen) und sind in Geschossbauweise. Diese wurden bereits von Zimmerleuten gemacht (und nicht mehr vom Bauherrn selber). Da für die Geschossbauweise über mehrere Geschosse nicht immer sehr lange und insbesondere gerade Stämme zur Verfügung standen und auch zum Aufrichten der Stämme viel Zimmerleute notwendig waren, wurde ab dem 14. Jahrhundert die Stockwerkbauweise eingesetzt, bei der nach Fertigstellung eines Geschosses das nächste Geschoss auskragend darüber gelegt wurde. Während der Entwicklung wurden Längs- und Querversteifungen immer wichtiger. Ab dem 15. Jahrhundert – also dem Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit – finden sich statt Verblattungen nun die Verzapfungen und statt den Einzelverstrebungen die Bundverstrebungen und statt den aufgeblatteten Brüstungsriegel nun Ständer mit gezapften kurzen Riegeln. In Büdingen finden sich Fachwerkbauten aus dieser Zeit. Ein rein gotisches Fachwerkgebäude ist das Rathaus in Michelstadt (Odenwald).

16. Jahrhundert und später

Im 16. – 17. Jahrhundert wurden dann z.B. im Hunsrück erste Stockwerksbauten – also umlaufende Rahmen pro Stockwerk – errichtet. Diese Konstruktionen finden Sie in den Scheunen bis ins 20. Jahrhundert. Ende des 18. Jahrhunderts verschwanden die Auskragungen aufgrund der Brandschutzauflagen und es wurden nur noch selten Schmuckhölzer verwendet. Oft war das Fachwerk dieser Zeit zum Verputzen gedacht. In der Gründerzeit – die in der Zeit zwischen der europäischen Industrialisierung und dem sog. Gründerkrach (= Börsenkrach von 1873) – erlebte der Fachwerkbau durch eine zunehmende Standardisierung eine neue Blüte. Die Querschnitte der Hölzer wurden gerechnet und man erkannte, dass sich auch mit relativ dünnen Hölzern bauen ließ. In dieser Zeit wurden die Hölzer alle gefräst und gefast. Sichtfachwerke im klassizistischen Stil waren, genauso wie ab 1905 im Jugendstil eher selten anzutreffen. Beispielsweise in Marburg entstanden Fachwerkgeschosse, Fachwerkkerne und Fachwerkgiebel. Regionale Formen wie Rosetten verbreiteten sich in ganz Deutschland.

3. Technische Begriffe der Fachwerkkonstruktion

Ständer = Ständerbauten haben einen festen, freien Stand über dem Boden zwischen Schwellriegeln oder auf Schwellen. Dies ist im Unterschied zu Pfahlbauten, deren Pfähle angespitzt waren oder auch unterschiedlich zu Pfostenbauten, deren rechtwinkelig geschnittene Pfosten eingegraben wurden.

Säulen = (tlw. gefaste) quadratische, sechseckige, achteckige oder runde freistehende Stützhölzer z.B. von Unterzügen oder des Dachstuhls (=Stuhlsäulen).

Rähmholz = Rähm / Wandrähm = aufgezapfte waagrechte Hölzer als oberer Ständerabschluß.

Riegel = ausriegeln / verriegeln / zusperren = waagrechte Gefach-Gliederung zwischen den Ständern.

Giebel = Gabel die den Firstbaum trägt.

Wand = Resultat des Auswindens der Stakung in den Gefachen.

Geschoss = Die Balken wurden in die Ständer durchgeschossen (=durchgezapft).

Klaiben = Zementieren / Lehmbauen.

Schwelle = Grundschwelle = Der Erdgeschoss-Balken der unter der Türöffnung durchläuft. In Hessen auch umgangssprachlich einfach „Schweller“ genannt.
Schwellen des OG1 und weiterer Geschosse nennt man Stockschwellen, Balkenschwellen, Saumschwellen, Setzschwellen oder Vorschwellen.

Horizontalaussteifung = die Ständerbauweise (= der Stand über dem Boden) erforderte (im Gegensatz zu der Pfahlbauweise) eine Aussteifung gegen Horizontallasten (wie z.B. Windkräfte) um nicht umzukippen. Schwertungen und später die Kopf- und Fußbänder, sowie Streben sind Horizontalaussteifungen.

Schwertung = aufgenagelte Hölzer (=Schwerter) zur Horizontalaussteifung über ein oder mehrere Geschosse.

Strebe = schräge Stütze zur Versteifung.

Langstrebe = Vollstrebe = Strebe von der Schwelle bis zum Rähmholz.

Kurzstrebe = halbgeschosshohe, in die Ständer eingezapfte Aussteifungen. Z.B. Kopf- oder Fußbänder, oder Andreaskreuze.

Einzelverstrebungen = mittelalterliches Fachwerk = bis 1470 wurden die Ständer einzeln, d.h. mittels Fuß- und Kopfbändern verstrebt.

Fußstrebe = Einzelverstrebung = gerade oder viertelkreisförmige Aussteifungen zwischen Schwelle und Ständer. Beispiel: die dreiviertelgeschosshohen Streben als „Beine“ eines Mannes.

Kopfstrebe = Einzelverstrebung = umgekehrt zu den Fußstreben = gerade oder viertelkreisförmige Aussteifungen zwischen Ständer und Rahmhölzer. Beispiel: die „Arme“ eines Mannes als Kopfbänder bzw. als Gegenstreben

Strebenkreuze = Kreuzstreben = alle brüstungshohen, halbgeschoss- und geschosshohen Andreaskreuze und Bundverstrebungen.

Bundverstrebungen = neuzeitliches Fachwerk = Geschoss- oder dreiviertelgeschosshohe (oder Kombinationen aus beiden) Strebenkreuze an den Eck- und Bundständern. Ab 1470 ersetzte die Bundverstrebung die Einzelverstrebungen.

Übergangsfachwerke = Übergang vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Fachwerk (=1470 bis 1550). Beispiel: Zahlreiche Fachwerkhäuser in Büdingen´s Altstadt und Schlossgasse.

Wilder Mann = Hessenmann / Schwäbisches Männle / Schwäbisches Weible / Schwäbisches Kindle = Strebenkreuze ab der Übergangszeit vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Fachwerk (=1470 bis 1550). Beispiel: Wilder Mann = „X“-förmige Versteifung eines Gefaches oder Hessenmann = „Beine“ und „Arme“ eines Mannes als Fuß- und Kopfstreben.

Binden = Zugkräfte aufnehmen.

Fußband = viertel- bis drittelgeschosshohe Streben zwischen Schwelle und Ständer zur Aufnahme / zum Binden von Zugkräften, da Zapfen nur die Druckkräfte aufnehmen konnten.

Kopfband = viertel- bis drittelgeschosshohe Streben zwischen Ständer und Rähm zur Aufnahmen / zum Binden von Zugkräften, da Zapfen nur die Druckkräfte aufnehmen konnten.

Anblattung = bis ins 16. Jahrhundert wurden Fuß- und Kopfbänder mit einem Haken oder Schwalbenschwänzen angeblattet um Zugkräfte aufzunehmen (= Zugkräfte „binden“).

Fußwinkelholz = dreieckförmige Ecke zur Aussteifung zwischen Schwelle und Ständer.

Kopfwinkelholz = dreieckförmige Ecke zur Aussteifung zwischen Ständer und Rahmen.

Fuß-/Kopfwinkelhölzer = z.B. Rosetten = geschnitztes Fuß- oder Kopfwinkelholz besonders in Norddeutschland oder in Süddeutschland zur Vervollständigung des Bildes des „Mannes“.

Auskragung = Überhang = Vorsprung der Balken über ein Stockwerk diente zum Schutz des darunter liegenden Stockwerks als auch zur Nutzflächenerhöhung in den engen, meist mauerumwehrten mittelalterlichen Städte. Kragweiten bis 70 cm waren bis ins 15. Jahrhundert üblich. Das führte zu Hygieneproblemen und Brandgefahr in den Gassen. Deshalb wurden in den Bauordnungen die zulässigen Kragweiten im Laufe der Zeit sukzessive bis auf 0 cm (im Klassizismus) reduziert.

Knaggen = Stütze und Queraussteifung der Auskragung.

Erker = auskragende, mit Streben und Konsolen gestützte Bauteile (die nicht bis zum Boden reichen im Gegensatz zu Gebäudevorsprüngen).

Eckerker = Erker mit quadratischem, sechs- oder achteckigem Grundriss und einem Erkerturm.

Verkünderker = kanzelartiger Erker mit kleinen Ausmaßen z.B. an den Giebeln gotischer Fachwerkrathäuser.

Firstständer = alle Ständer die zur Stütze der Firstpfette dienen.

Gebogene Schwellen = gekrümmte Hölzer wurden aufgrund dem ständigen Mangel an geradem Eichenholz verwandt. Dabei wurde das Holz mittig aufgetrennt und als Stütze links und rechts spiegelbildlich eingebaut.

Klöntüren = in Ober- und Untertür zweigeteilte Haustüren. Während die untere Türe verschlossen blieb, konnte die obere Türe tagsüber zum „Klönen“ mit Nachbarn als auch zum Lüften offen stehen.

Sichtfachwerk = sichtbares Fachwerk (insbes. 15. Jahrhundert).

Putzfachwerk = verputztes Fachwerk. In der Renaissance (= 15./16. Jhd.) wurden die Fachwerkgebäude meist innen verputzt oder verkleidet. Im Barock (=17./18. Jhd.) wurden Fachwerkgebäude zunächst in den Städten und im 19. Jhd. dann auch auf dem Land verputzt. Dies folgte der Mode, denn „Massivbauten“ waren besonders begehrt. Deshalb wurden manche Fachwerkgebäude dieser Zeit auch mit aufgeputzten Eckquaderungen versehen.

4. Schmückende Fachwerkelemente

Neben den technischen Notwendigkeiten der Konstruktion gab es schon immer den Wunsch der Eigentümer nach schmückenden Elementen und Bitten, Wünschen und Zeichen bzw. Symbolik zur Abwehr von Blitzschlag, Naturkatastrophen, Krankheiten, Dämonen und dem bösen Blick. Zusätzliche Hölzer in Rautenform oder als Andreaskreuze finden sich ebenso wie Feuerböcke, Brüstungsbänder und Schnitzschmuck an den Ständerköpfen.

Achtstern = achtzackiger Stern in einem Kreis = Symbol der Sonne und des achten Schöpfungstages = Schöpfung des Menschen. Häufig in der Wetterau anzufinden.

Andreaskreuz = Malkreuz = X-Form = ursprünglicher Name „anderes Kreuz“ als Zeichen der Multiplikation, also der Mehrung (des Besitzes). Später nach dem Verbot heidnischer Zeichen durch Karl den Großen wurde das Andere Kreuz zum Andreaskreuz und somit zum Zeichen von Christus.

Anderes Kreuz = siehe Andreaskreuz.

Beschlagwerk = Nachahmungen von Metallbeschlägen von Türen und Truhen.

Besen = ein auf dem Stiel stehender Besen als Schutzzeichen gegen Blitzschlag, Gewitter, Brand und Feuer.

Brille = eine Brille wurde als Symbol für Ausgewogenheit und Mäßigung gesehen.

Burkreuz = Bauernkreuz = germanisches Symbol für die Mehrung = + Zeichen.

Dreiblatt = Glückssymbol wie das Kleeblatt.

Feuerbock = Kreuz mit gekrümmten Kreuzbalken als Symbol für die Kraft des Feuers und als Schutz vor dem Feuer.

Figurenknaggen = Verzierte, senkrechte Knaggen zur Stützung von Balkenköpfen.

Fenstererker = Fensterumrahmung (ca. 10cm vor der Fassade) aus vollem Holz mit Schnitzschmuck.

Fünfstern = Pentagramm = Drudenfuß = fünfzackiger Stern als Schutz gegen Böses aller Art.

Garbe = Fruchtgarbensymbol als Fruchtbarkeitszeichen für Ernte.

Brezel / Gebildbrot = ursprünglich heidnische Symbole als Neujahrsgabe.

Giebelzier / Pferdeköpfe = Pferdeköpfe stehen als heidnische Symbole für die Rosse / Pferde Wodans.

Geschweiftes Kreuz / Heidenkreuz = Kreuz mit abgewinkelten Enden als Symbol der laufenden Sonne bzw. Rad des Himmels als stärkstes Heil- und Abwehrzeichen.

Herz = Zeichen für Freya (= Frau Holle), die Frau des germanischen Gottes Odin. Symbol für Liebe und Freundschaft.

Julrad = nordische Bezeichnung des Achtsterns. Das vorchristliche Mittwinterfrest wurde später auf den 25. Dezember verlegt und mit Weihnachten verbunden, wo „Julbrote“ gebacken wurden.

Knoten / Flechtbänder / Schlingen / Wodansknoten = Abwehrzeichen = Dämonenschlinge bzw. Dämonenfessel. Z.B. als Pentagramm = Fünfstern als fünfseitige Verschlingung zur Dämonenfalle.

Kratzputz / Stippputz = Kratz- und Ritzputztechniken wurden zur Verzierung und zum mechanischen Halt von Kalkputzen verwandt in dem nass auf den Lehmuntergrund aufgetragen wurde. Häufig in der Gegend um Gießen und Marburg anzutreffen.

Kreis = Symbol für die Einheit und Vollkommenheit. Im der christlichen Symbolik steht der Kreis für die Ewigkeit und Unendlichkeit.

Lebensbaum = Symbol der Geschlechterfolge und des Erhalts des Lebens.

Lilie = Fruchtbarkeitssymbol. In der christlichen Symbolik steht die Lilie für Unschuld und Jungfräulichkeit.

Mühle / Windmühle = Kindersegen. In der christlichen Symbolik steht die Mühle für „unser täglich Brot gib uns heute“.

Neidköpfe = Schreckensmaske – oft fratzenhaft verzerrt, die Zunge oder den Po herausstreckend – gegen Neider oder Menschen mit dem „bösen Blick“.

Raute = Symbol für Fruchtbarkeit und Kindersegen besonders an Rhein, Main, Lahn und Mosel. Rauten wurden auch durch aneinandergereite Andreaskreuze gebildet.

Rosette = ursprünglich eine klassische Muscheldarstellung der Römer und später eine Sonnenraddarstellung.

Runen = ursprünglich „Raunen“ etwas Geheimnisvollem oder Unaussprechlichen. Es gibt Bar-Runen = „/“, Balk-Runen = „\“, Ir- oder F-Runen, Man-Runen = siehe „wilder Mann“, Hagal Runen = „H“, K-Runen = „K“ und Gibor-Runen im Giebel. Aufgrund der vielfältigen, teilweise unterschiedlichen Deutungsversuche der Runen wird an dieser Stelle nicht auf die Symbolik der Runen im Fachwerkbau eingegangen.

Säulen / Pilaster / Schuppen / Flechtwerk / Zöpfe / Spiralen = ab ca. 1600 (= Renaissance) wurden insbesondere Säulen als schmückende Elemente aufgenommen. Halbsäulen wurden auf die Ständer aufgesetzt, z.B. um den Eingang besonders zu betonen, oder z.B. als gedrehte Säulen als Eckständer.

Schreckköpfe = Schreckmasken zur adäquaten Abwehr von Dämonen, Geister und allem Bösen.

Schriftbänder / Balkeninschriften = geschnitzte oder gemalte Texte – im 16. Jhd. in Latein und ab dem 17. Jhd. in Deutsch – als Information über Bauherren, Zimmermeister, Baudatum und als Weisheiten, Bibelzitate und Bittsprüche. Zu beachten sind folgende Zeichen für Zahlen: a = 1, z = 2, 1 = 7, l = 8. Folgende Abkürzungen sind häufig anzutreffen: AO = anno, AD = anno domini, BH = Bauherr, SEHW = sein eheliches Hausweib, DHB = dieses Haus baute, M = Meister, WM = Werkmeister.

Schragen = Andreaskreuz.

Schuppung / Schuppenwerk = geschuppte Panzer von Drachen und Echsen – besonders auf den Eckständern – galten als besonders wehrhaft gegen Blitzschlag bzw. Feuer.

Sechsstern / Hagalstern / Hexagramm = zwei überlappende Dreiecke mit jeweils Spitzen nach unten und oben = Symbol für die Durchdringung der unsichtbaren Welt mit der sichtbaren Welt = Symbol der Weltordnung.

5. Symbole

Die Menschen im Mittelalter waren tief in Glaube und Aberglaube eingebunden. Die frühen Christen mussten sich z.B. in Rom heimlich treffen. Als Erkennungssymbol wurde z.B. der Fisch als Zeichen für Christus gewählt. Zeichen und Symbole waren auch in den folgenden Jahrhunderten aufgrund des großen Analphabetentums weit verbreitet. Hufeisen, vierblättrige Kleeblätter, schwarze Katzen, Hutzelfeuer sind alte Symbole im Aberglauben. Ebenfalls alte symbolische Zeichen sind das Malzeichen und das Additionszeichen. Als jüngere Symbole werden beispielsweise Weihnachtsbäume, Ostereier, Logos, Verkehrsschilder oder Piktogramme verwendet. Fratzen, Köpfe und Menschenleiber sollen als Schreckgestalten die bösen Geister vom Hause abwehren. Das Kreuz kommt entweder durch Balkenfügung oder eingeschnitzt vielfältig vor. Radkreuze an Hausecken als auch Drehkreuze und Drehsterne finden sich an Hoftoren beispielsweise in der Wetterau häufig und sind Sinnbilder für die Sonne, den Sonnenlauf und somit auch den Tages- und Jahreslauf.

5.1 Religiöse Symbolik

Religiöse Symbole sind bildliche Darstellungen von Apostel, Heiligen und Propheten.

5.2 Zahlensymbolik

Die Zahlensymbolik ist sowohl in der antiken Philosophie als auch in der Bibel anzutreffen.

3 = Gott = Dreifaltigkeit (= Vater, Sohn und heiliger Geist), Heilige drei Könige.

4 = Welt = vier Elemente (= Feuer, Wasser, Erde, Luft), vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten.

5 = fünf Wundmale Christi als fünf Rosen dargestellt, fünf Bücher Moses, fünf kluge und fünf törichte Jungfrauen, fünfzackiger Stern als Abwehrzeichen.

6 = sechs Schöpfungstage für Himmel und Erde.

7 = 3 + 4 = heilige Zahl aus 3 (= Gott) und 4 (= Welt), sieben Sakramente (= Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Salbung, Weihe und Ehe), sieben fette und sieben magere Jahre, sieben Weltwunder, sieben „Planeten“ / Himmelskörper (= Mond, Venus, Sonne, Jupiter, Merkur, Saturn, Mars), sieben Todsünden und Laster (= Hochmut, Geiz, Neid, Wollust, Völlerei, Zorn und Trägheit), sieben freie Künste (= ars liberalis = Astrologie, Arithmetik, Rhetorik, Dialektik, Grammatik, Musik und Geometrie).

8 = Vollkommenheit.

10 = zehn Gebote.

12 = zwölf Stämme Israels, 12 Apostel, zwölf Monate.

14 = 2 * 7 (= doppelt heilige Zahl)

5.3 Allegorien

Sinnbilder für abstrakte Begriffe sind Allegorien. Beispiele:

Volles Gesicht = Völlerei.

Doppelte Gesichtshälften = Doppelzüngigkeit.

Fuchs = Schlauheit.

Helm = Hochmut (= Hoffart).

Gesicht mit Ohren / Wolfsgesicht = Geiz.

Auf einem Ziegenbock reitender nackter Mann = Geilheit.

Affe und Spiegel = Eitelkeit.

Affe und zweiter Affe mit Spiegel = „erkenne dich selbst“ / Spiegel vorhalten.

Ein Schwein scheren = Sinnlosigkeit (da Schafe geschert werden).

Narr mit Schaf unter dem Mantel = „auf seinen Vorteil bedacht sein“ / „sein Schäfchen ins Trockene bringen“.

Affe mit vollem Maul = Prahlen / „das Maul voll haben“.

Fuchs und Gans = Diebstahl.

Bär und Honigwabe = Völlerei / Gefräßigkeit.

5.4 Bildgruppen

Kardinaltugenden = Glaube (= vides) + Nächstenliebe (= caritas) + Klugheit (= prudentia) + Geduld (= patientia) + Gerechtigkeit (= justitia) + Hoffnung (= spes) + Friede (= pax) + Mäßigkeit (= temperantia) + Barmherzigkeit (= pietas).

Planetengottheiten / Himmelskörper = Mond + Venus + Sonne + Jupiter + Merkur + Saturn + Mars

Freie Künste (= ars liberalis) = Astrologie (= astrologia) + Arithmetik (= aritmetica) + Rhetorik (= rhetorica) + Dialektik (= dialektica) + Grammatik (= grammatica) + Musik (= musica) + Geometrie (= geometria).

Musen = Gesang + Musik + Lyrik + Epos + Geschichte + Tanz + Komödie + Tragödie.

Sinne = Gesicht + Gehör + Geruch + Geschmack + Gefühl.

Fachwerk – (m)eine Herzensangelegenheit

 

Sartorius Merenberg II
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6. Referenzen:

Siegfried Enders, Christoph Mohr, Baudenkmale in Hessen, Wetteraukreis, Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig / Wiesbaden 1982

Manfred Gerner, Kalkulationshandbuch – Sanierung historischer Holzkonstruktionen, 2002

Günter Binding, Udo Mainzer, Anita Wiedenau, Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus, Darmstadt, 1989

Hermann Phleps, Alemannische Holzbaukunst, Wiesbaden, 1967

Schwarz-Winklhofer I., Biedermann H., Das Buch der Zeichen und Symbole, Graz, 1994

Manfred Gerner, Entwicklung der Holzverbindungen – Forschungs- und Untersuchungsergebnisse, 2000

Manfred Gerner, Schäden an Fachwerkfassaden

Ekkehart Hähnel, Fachwerk Instandsetzung – Ein Praxisbuch

Georg Dröge, Thomas Dröge, Schäden an Holztragwerken, Hrsg.: Günter Zimmermann, Schadenfreies Bauen, Band 28, 2002

Dieter Ansorge, Fachwerkinstandsetzung nach WTA. Aktuelle Berichte – WTA – Kompendium I, Band 2, Hrsg.: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V., München, 2002

7. Photosammlung:
Fachwerkbauten, Fachwerkkonstruktionen, Bauelemente, Symbole, Stadtansichten